Während der Recherchen zu meinem Erfolgsbuch "Als der Tod vom Himmel stürzte – die Flugtagkatastrophe von Ramstein", wurde mir bewusst, dass das Unglück von Ramstein im Jahr 1988, wenn man die offizielle Zahl von 70 Todesopfern zugrunde legt, bei aller unbestreitbaren Tragik "nur“ das zweitschwerste Airshow-Unglück der Welt war. Es ist allerdings wohl das bekannteste, denn der "Flugtag 88“ auf der Air Base im deutschen Ramstein wurde von gut 300.000 Menschen aus ganz (West-)Europa und den USA besucht. Die Fernsehbilder und Fotos der Katastrophe gingen noch am gleichen Abend um die Welt – und das, obwohl es damals noch gar kein Internet und keine Smartphones gab!
Unglück aufgrund eines Flugfehlers des Piloten
Das weltweit schwerste Unglück bei einer Flugschau ereignete sich allerdings erst rund 14 Jahre später, am 27. Juli 2002, in der Ukraine – und zwar auf einer kleinen lokalen Airshow in Lemberg/Lviv, die von gerade einmal 10.000 Menschen besucht wurde.
Damals stürzte eine Su-27 der ukrainischen Luftwaffe aufgrund eines Flugfehlers des Piloten direkt ins Publikum und explodierte. An den Folgen der Explosion starben 77 Besucher, darunter 28 Kinder, mehr als 500 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Das Inferno löschte ganze Familien aus, Mütter, Väter, Kinder. Eine traurige Parallele zu Ramstein: Auch in der Ukraine fühlten (und fühlen) sich Überlebende sowie Hinterbliebene vom Staat häufig im Stich gelassen. Besonders tragisch: Die Opfer am Boden wären wohl vermeidbar gewesen. Doch die Sicherheitskonzepte, die nach dem Flugtagunglück von Ramstein 14 Jahre zuvor international etabliert worden waren, wurden von den Verantwortlichen beim Flugtag in Lemberg einfach nicht umgesetzt.
Bürger westlicher Staaten waren nicht unter den Opfern
Die westlichen Medien berichteten lediglich einige Tage über die Katastrophe, danach verschwand diese große ukrainische Tragödie aus den Augen der westlichen Öffentlichkeit. Sie hatte sich eben „nur“ auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion ereignet. Bürger westlicher Staaten waren nicht unter den Opfern und so verblasste das Interesse der Medien außerhalb der Ukraine ganz schnell wieder. In der Ukraine dagegen blieb das Unglück im kollektiven Gedächtnis – bis heute. Sogar im Krieg gedenken die Überlebenden und Hinterbliebenen jährlich der Opfer.
Auf den Versuch, mehr über die Flugtagkatastrophe von Lemberg zu erfahren, folgte allerdings rasch Ernüchterung. Denn sowohl der deutsch- als auch der englischsprachige Wikipedia-Eintrag dazu sind sehr kurz gehalten. Ein Buch auf Deutsch oder Englisch zum Thema konnte ich ebenfalls nicht finden. Online verfügbare Medienberichte auf Deutsch oder Englisch waren gleichfalls nicht sonderlich ergiebig. Es war einfach frustrierend.
Diese unbefriedigende Situation allerdings weckte meinen Ehrgeiz als Flieger, Journalist und Autor, was wiederum recht rasch zu dem Entschluss führte, selbst ein Buch über die Ereignisse des 27. Juli 2002 zu schreiben. Getreu dem Motto: Wenn Du ein Buch zu einem Thema lesen willst, über das es noch keines gibt, dann musst Du es eben selbst schreiben. Doch das war leichter gesagt als getan.
Recherchen waren durchaus herausfordernd
Die Recherchen dazu gestalteten sich nämlich durchaus herausfordernd: Denn so gut wie alle verfügbaren aussagekräftigen Dokumente und Berichte waren auf Ukrainisch oder Russisch. Nachfragen in der Ukraine oder Russland sind aufgrund des Kriegszustandes zwischen diesen beiden Ländern derzeit nicht wirklich erfolgversprechend. Vor allem die ukrainischen Stellen haben aktuell mit Sicherheit Wichtigeres zu tun, als Journalistenanfragen zu einem Thema, das mehr als 20 Jahre zurück liegt, zu beantworten. Zudem lieferten Übersetzungsprogramme mitunter verwirrende oder unlogisch erscheinende Ergebnisse.
Pilot als schwächstes Glied in einer Kette
Doch mit viel Geduld, Hartnäckigkeit, etwas Glück und der Unterstützung von Deutsch sprechenden Ukrainern, gelang es mir, den Ablauf der Airshow sowie die Gesamtumstände, die dazu geführt haben, dass ein hochqualifizierter, aber völlig unzureichend vorbereiteter, Pilot als schwächstes Glied in einer Kette von Ereignissen schließlich versagen musste, präzise und bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen. Es zeigte sich, dass der verantwortliche Pilot und sein Co-Pilot zwar letzten Endes den Absturz verursacht hatten, die beiden Männer jedoch gleichzeitig auch Opfer des damaligen politisch-militärischen Systems in der Ukraine waren. Außerdem beleuchte ich in dem Buch die Historie der erfolgreichen – aber kurzlebigen – Kunstflugstaffel "Ukrainian Falcons“, aus deren Reihen der Unglückspilot von Lemberg kam. Ebenso werden die Geschichten der Opfer und Überlebenden geschildert und so vor dem Vergessen bewahrt.
Infos: "Das Flugtagunglück von Lemberg – eine vergessene ukrainische Tragödie" ist am 11. Oktober 2023 im deutschen Epubli-Verlag erschienen.
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