In der Nacht vom 19. auf den 20. August 2024 (MESZ) passiert die Mission JUICE der Europäischen Weltraumorganisation ESA zunächst den Erdtrabanten von der Nachtseite kommend in 750 Kilometer Höhe. Dann fliegt die Raumsonde auf schon leicht veränderter Flugbahn in nur 24 Stunden mit gesteigerter Geschwindigkeit von 15.000 Kilometern pro Stunde zur Erde und wird dieser bis auf 6.800 Kilometer nahekommen. Dabei wird die Bahn der Sonde ein zweites Mal geändert und in Richtung des inneren Sonnensystems abgelenkt.
Das Raumfahrtmanöver heißt LEGA
LEGA – so heißt das Raumfahrtmanöver, das mit großer Spannung erwartet wird: Der „Lunar-Earth Gravity Assist“, was auf Deutsch etwa Mond-Erde-Schwerkraftumlenkung bedeutet. Zum ersten Mal wird die Bahn einer Sonde durch die Schwerkraft des Mondes und kurz darauf auch von der Gravitation der Erde verändert. Während der beiden Nahvorbeiflüge an Mond und Erde werden auch die wissenschaftlichen Experimente angeschaltet sein, um sie zu testen, zu eichen und möglicherweise sogar interessante Ergebnisse zu erzielen. Darunter auch die Kamera JANUS und der Laser-Höhenmesser GALA. An beiden Experimenten ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) maßgeblich beteiligt. Das ungewöhnliche Manöver wird durchgeführt, um für den weiteren Missionsverlauf Treibstoff zu sparen. In den kommenden Jahren wird bei weiteren Nahvorbeiflügen – einmal an der Venus und zweimal an der Erde – JUICE so beschleunigt werden, dass die Mission 2031 ihr Ziel, den Planeten Jupiter und dessen Eismonde Europa, Ganymed und Callisto, erreichen wird und bis 2035 untersuchen kann.
LEGA-Manöver kann sogar von der Erde beobachtet werden
Mit etwas Glück kann JUICE beim LEGA-Manöver sogar von der Erde beobachtet werden, denn das Raumschiff fliegt zunächst durch die Nacht der westlichen Hemisphäre und dann über den Tag in Südostasien und des Pazifischen Ozeans. Mit einem leistungsstarken Fernglas oder einem Teleskop haben Amateurastronominnen und -astronomen die Chance, die Sonde in der Nacht vom 20. auf den 21. August 2024 als schnell wandernden Lichtpunkt auch von Europa aus zu sehen.
Mit 15.000 Stundenkilometern durch ein Nadelöhr
Diese komplexe Flugbahn durch das innere Sonnensystem erwies sich als die effektivste, um die beim Start über sechs Tonnen schwere Raumsonde so schnell wie möglich ins Jupitersystem zu steuern. Der streckenmäßige Umweg über die Venus ist zeitlich betrachtet eine Abkürzung. Gestartet wurde JUICE am 14. April 2023 vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou mit einer Ariane-5-Trägerrakete. Seither hat die Raumsonde bereits mehr als eine Milliarde Kilometer zurückgelegt. Gesteuert und kontrolliert wird das LEGA-Manöver vom ESOC, dem Europäischen Weltraum-Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt. Es gilt, JUICE mit genau der richtigen Geschwindigkeit zu einem exakten Zeitpunkt in der präzisen Richtung auf den Mond und danach auf die Erde hinzusteuern. Das Manöver gleicht einem Schuss durch ein Nadelöhr. Keine Weltraumorganisation hat dieses Doppel-Manöver zuvor durchgeführt. Zwischen dem 17. und dem 22. August 2024 wird der Kurs von JUICE zu jeder Sekunde überwacht. Der Funkverkehr mit der Raumsonde findet über die drei großen Antennenstationen des ESTRACK in Spanien, Australien und Argentinien statt. Laut ESA sei das Manöver nicht frei von Risiken. 38 Minuten vor der größten Annäherung an den Mond um 23:16 Uhr MESZ am Dienstag wird JUICE den Mondschatten durchqueren und eine halbe Stunde lang keinen Kontakt zur Erde haben.
JUICE nähert sich der Mondoberfläche bis auf 750 Kilometer
Während des Mondvorbeiflugs nähert sich JUICE der Mondoberfläche bis auf 750 Kilometer. Die JANUS-Kamera wird nicht genau senkrecht auf die Mondoberfläche gerichtet sein, dennoch wird die beste Auflösung etwa 13 Meter pro Bildpunkt betragen. Das letzte Bild beim Abflug vom Mond wird aus 2.800 Kilometern aufgenommen und immer noch 42 Meter pro Pixel auflösen. Die fotografierten Regionen liegen auf einem schmalen Streifen entlang des Äquators sowohl auf der Mondrückseite wie auch auf der wegen des Vollmondes vollständig beleuchteten Vorderseite. Die Aufnahmen von der Erde werden wegen der größeren Überflughöhe Auflösungen zwischen 125 Metern – allerdings über dem Ozean – und 250 Metern pro Pixel haben. Dabei werden Teile von Madagaskar, Thailand, Kambodscha, den Philippinen und Hawaii aufgenommen werden.
Deutschland mit einem Fünftel an JUICE beteiligt
Deutschland ist an der JUICE-Mission maßgeblich beteiligt. Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR unterstützt JUICE, indem sie den größten Einzelbeitrag eines ESA-Mitgliedslandes – rund 21 Prozent – zur Mission beisteuert. Diese Mittel sind Teil der Finanzierung der Entwicklung der Raumsonde, des Starts mit einer Ariane-5-Trägerrakete und des Missionsbetriebs. Zusätzlich fließen rund 100 Millionen Euro in die deutschen Beiträge an sieben von insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumenten und einem Experiment auf der Raumsonde:
- Der Laser-Höhenmesser GALA entstand in Verantwortung des DLR-Instituts für Planetenforschung in Berlin, bei der Kamera JANUS war das DLR-Institut für Planetenforschung Teil des italienisch geführten Konsortiums, das Instrument SWI (Submillimetre Wave Instrument) entstand unter Führung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen.
- PEP (Particle Environment Package) ist ein Spektrometer zur Messung neutraler und geladener Teilchen im Jupitersystem (MPS, Göttingen), J-MAG (Magnetometer for JUICE) ist ein Magnetometer zur Charakterisierung der Magnetfelder von Jupiter und Ganymed und zur Untersuchung der Ozeane der Eismonde (Technische Universität Braunschweig), das Radar-Instrument RIME (Radar for Icy Moons Exploration) soll die Struktur der Eismonde bis in neun Kilometer Tiefe untersuchen (Technische Universität Dresden), 3GM (Gravity & Geophysics of Jupiter and Galilean Moons) ist ein Radiowellen-Experiment mit Ka-Transponder und ultrastabilem Oszillator zur Bestimmung der Schwerefelder und Atmosphären von Jupiter und seinen Monden (RIU, Universität zu Köln).
- Zudem gibt es das Experiment PRIDE (Planetary Radio Interferometer & Doppler Experiment), das kein Instrument an sich ist, sondern für Messungen die Funkverbindung der Hauptantenne mit der Erde nutzt. Ferner bestehen auch weitere wissenschaftliche Kooperationen, so beim Instrument MAJIS (Moons and Jupiter Imaging Spectrometer) durch das MPS.