Der Bremen Airport war am 6. April 2017 Schauplatz einer bundesweiten Premiere: Erstmals landete ein Passagier-Flugzeug mit Hilfe eines neuen, satellitengestützten Präzisions anflugverfahrens, ohne auf bodenseitige Navigationsinfrastruktur zurück zu greifen. Möglich wird dies mit einem Verfahren auf Basis von EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay Service), dem europäischen satellitenbasierten Erweiterungssystem zur GPS-Navigation. Es steigert die Positionsgenauigkeit von GPS von 10 bis 20 Metern auf ein bis drei Meter. Bremen ist der erste deutsche Verkehrsflughafen, der mit dem neuen Präzisionsanflugverfahren SBAS arbeitet.
Mit der SBAS-Technik (Satellite Based Augmentation System) stellt die Deutsche Flugsicherung (DFS) den Luftraumnutzern in Bremen bei schlechtem Wetter ein weiteres innovatives Anflugverfahren zusätzlich zum konventionellen Instrumentenlandesystem (ILS) zur Verfügung. Die Hansestadt ist damit erneut Vorreiter bei der Einführung fortschrittlicher Flugverfahren. Bereits 2012 wurde auf dem Airport Bremen der weltweit erste Anflug mit der satellitengestützten GBAS*-Technik (Ground Based Augmentation System) durchgeführt. „Wir freuen uns nach dem ersten GBAS-Anflug in 2012 darüber, dass uns die Deutsche Flugsicherung erneut eine Premiere am Bremen Airport ermöglicht hat. Die SBAS-Technik ist innovativ und ermöglicht neue Wege unabhängig von der bodengestützten Navigation“, sagt Jürgen Bula, Geschäftsführer Bremen Airport.
Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO hatte das satellitengestützte SBAS-Präzisionsanflugverfahren unter der Bezeichnung „LPV 200“ freigegeben. Es gilt bei schlechten Sichtverhältnissen für die erste Stufe (CAT 1) von drei Allwetterflugbedingungen: Der Pilot wird bis zu einer Höhe von 200 Fuß (60 Meter) mittels Satelliten sowohl horizontal als auch vertikal präzise geführt. Sieht er dann die Piste, kann er sicher landen.
Die automatische Führung bis zu dieser sogenannten „Entscheidungshöhe“ wird bislang nur durch bodengestützte Systeme wie ILS oder satelliten- und bodengestützte Systeme (GBAS) geleistet: Die neue SBAS-Technik bietet gegenüber den momentan gebräuchlichen Anflugverfahren signifikante Vorteile. SBAS ist nicht nur eine hoch-präzise Alternative zu Instrumentenlandesystemen, sie benötigt auch keine Navigations-Bodeninfrastruktur, die teuer und wartungsintensiv ist.
Die hohe Genauigkeit des SBAS-Verfahrens wird ermöglicht durch das Zusammenspiel von GPS-Signalen und den geostationären Satelliten von EGNOS, die insgesamt die hohen Anforderungen an sogenannte Präzisionslandeverfahren liefern und damit den ICAO-Standards entsprechen.
„Die DFS will im Anflugbereich mittel- bis langfristig verstärkt die Potenziale der rein satellitenbasierten Navigation nutzen und somit eine Alternative zum Instrumentenlandesystem ILS CAT 1 schaffen“, erläutert Andre Biestmann, Bereichsleiter Luftraum- und ANS-Support, die Strategie der DFS.
Um die Satellitensignale empfangen zu können, müssen jedoch die Cockpits mit einem entsprechenden EGNOS-Empfänger ausgerüstet sein. Ein Großteil der Business-Jet-Flotte der Fluggesellschaft NetJets Europe, die jetzt das erste SBAS-Anflugverfahren in Bremen durchgeführt hat, ist bereits mit der neuen Technologie ausgestattet.
NetJets trägt mit seiner modernen Flotte zur Entwicklung von Innovationen in der Luftfahrt bei. Gemeinsam mit der DFS wurden im Herbst 2016 neueste Anflugtechniken mit GBAS getestet. Dieses Projekt erhielt Anfang März 2017 einen Innovationspreis der EU-Kommission. Dieser wurde im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsprojektes “Augmented Approaches to Land” vergeben.
Derzeit sind EGNOS-Empfänger noch nicht in den Flugzeugen aller großen Hersteller installiert. Hier sollten nach Ansicht der DFS aber entsprechende Anreize geschaffen werden, um langfristig auch diese Luftfahrzeuge mit EGNOS-Receivern auszustatten.
*GBAS – ein weiteres satellitengestütztes Anflugverfahren in Bremen: Seit Februar 2012 betreibt die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH am Bremen Airport ein sogenanntes „Ground based augmentation System“ (GBAS). Auch für dieses Anflugverfahren werden die Satellitensignale des US Global Positioning System (GPS) genutzt. Für die flugnavigationsseitige Aufbereitung werden sie jedoch durch bodengestützte Antennen am Flughafen präzisiert und erst dann als Navigationsgrundlage an die Flugzeuge geschickt. Im Gegensatz dazu benötigt das SBAS-Verfahren keinerlei bodenseitige Infrastruktur.